Pokémon-Biologie: Mimikry

Geschrieben von FellFromtheSky. Übersetzt von Cretacerus.
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Illustration von h_n_g_m_n

Illustration von h_n_g_m_n.

Einführung

Pokémon-Biologie ist mit Sicherheit ein vielseitiges Feld. Allzu oft jedoch diskutieren wir die ... angenehmeren Seiten der Pokémon-Biologie—wie das Aufzuchtverhalten der verschiedenen Arten und die wunderbaren Anpassungsstrategien der Lebewesen an ihre Umwelt. Daher wollen wir in dieser Ausgabe von Pokémon-Biologie einen der wohl dunkleren Aspekte der Pokémon-Biologie näher beleuchten—Mimikry.

Nun, Mimikry ist ein biologisches Phänomen, bei dem ein Organismus einem anderen ähnelt, aber taxonomisch nicht näher mit ihm verwandt ist. Der Hintergrund solch einer Täuschung variiert von Art zu Art, und scheint in einigen Fällen sogar relativ gutartiger Natur zu sein. Doch in anderen Fällen, und oft bei einigen unserer liebsten Pokémon-Arten—wie den augenblicklich bezaubernden Wommel und Bandelby—ist die Täuschung weit weniger angenehm. Nun aber lasst uns ohne weitere Umschweife zu einigen der interessanteren Beispiele mimetischer Arten in der Welt der Pokémon kommen.


Krebutack Tohaido

Krebutack und Tohaido

Beginnen wir mit einem klassischen Beispiel von Mimikry—und einem relativ harmlosen dazu. Die oberflächliche Ähnlichkeit von Krebutack und Tohaido wurde erstmals von einem Professor des berühmten Klima-Instituts nahe Baumhausen, Hoenn, beobachtet—Professor Harold Waldo Baites. Daher wird die spezielle Form der Mimikry in den beiden erwähnten Arten als „Baites'sche Mimikry“ bezeichnet. Diese spezielle Form von Mimikry beschreibt die Nachahmung gefährlicher Organismen durch harmlosere, um potenziellen Räubern zu entgehen. In dem Fall von Krebutack und Tohaido ist Krebutack der hilflose Organismus. Tatsächlich hat Baites die Hypothese aufgestellt, dass Krebutack eine Anpassung von Krebscorps an ihre neue Heimat in Hoenn war—einer Region, in der Tohaido in den meisten Gewässern weit verbreitet ist—nachdem es viele Jahre zuvor in dem Lebensraum eingeführt wurde. Tohaido ist der paradigmatische Spitzenprädator und in der Tat können nur wenige Pokémon in der Hoenn-Region eine Konfrontation mit dem Hai wagen. Diese furchteinflößende Reputation gewährt dem Tohaido-Doppelgänger Krebutack Schutz gegen viele Arten, die seine Existenz ansonsten um einiges schwieriger machen würden.


Mantidea Matrifol

Mantidea und Matrifol

Die oben beschriebenen Beispiele von Mimikry sind in der Welt der Pokémon häufig zu beobachten—man nehme zum Beispiel Smettbo und Pudox. Eine faszinierendere Variante wurde jedoch erst vor kurzem entdeckt—Mantidea und Matrifol. Trotz ihrer äußeren Erscheinung sind Mantidea und seine Vorentwicklung Imantis nicht allzu nahe verwandt mit Matrifol—oder eigentlich jedem anderen Käfer-Pokémon. In Wahrheit ist es näher mit Kinoso und Dressella verwandt und hat nur wenige evolutionäre Bezüge zu seinem weniger pinken Doppelgänger. Der Hintergrund dieser Täuschung scheint darin zu liegen, dass sich Mantidea und Imantis nicht allzu schnell bewegen können und auf lange Pausen im Sonnenlicht zur Photosynthese angewiesen sind. Da sich Individuen der Art dadurch über längere Zeiträume hin angreifbar machen müssen, scheinen Mantidea und Imantis den schnellen und aggressiven Räuber Matrifol nachzuahmen—ein Pokémon, das sich bekannterweise von kleineren Käfer-Pokémon ernährt, die zufälligerweise genau den Typ von Pokémon darstellen, der für Mantidea am häufigsten zur Belästigung und für Imantis zur Bedrohung wird.


Mimigma Pikachu

Mimigma und Pikachu

In der breiten Öffentlichkeit hat sich irgendwie die Meinung durchgesetzt, dass Mimigma ein einsames Pokémon auf der Suche nach Liebe und Aufmerksamkeit sei, und es daher dem sehr beliebten Pikachu nacheifert—mithilfe eines Pikachu-förmigen Lakens. Die Wahrheit sieht indes weitaus weniger poetisch aus. Mimigma ist eigentlich eine karnivore Kreatur, die Pikachu—eine sanfte und friedfertige Art—nachahmt, um ihre Beute in falscher Sicherheit zu wiegen. Sobald die Beute—in der Regel kleinere Säugetier-Pokémon wie Rattfratz—ihre Deckung verlässt, schlägt Mimigma von unterhalb der Verkleidung mit seinen scharfen Klauen zu, um die Beute schnell zu zerlegen und unter das Laken zu zerren. Als ein Paradebeispiel „aggressiver Mimikry“ verkörpert diese Art wahrhaftig das Sprichwort „ein Wolf im Schafspelz“.


Pikachu Plusle Minun Pachirisu Emolga Dedenne Togedemaru

Pikachu und buchstäblich jeder existierende Pikaklon

Pikachu ist mit seiner niedlichen Erscheinung und seinem liebenswerten Wesen zu unvergleichbarer Beliebtheit gelangt, als Maskottchen und als Begleiter. Des Weiteren muss es in seinem Lebensraum nur wenige Räuber fürchten, erleidet im Laufe seines Lebens nur wenige gesundheitliche Probleme, hat eine bemerkenswert hohe Lebenserwartung, zeigt eine vorteilhafte Reaktion und Verwandlung beim Kontakt mit einem speziellen Mineral namens „Donnerstein“, und kann sich auch noch exzellent an die meisten Klima- und Umweltbedingungen anpassen. Tatsächlich ist der einzige Grund dafür, dass nicht jede Region von Pichu, Pikachu und Raichu überrannt wird, die extrem niedrige Reproduktionsrate dieser Pokémon. Nur etwa 5% aller Pikachu und Raichu zeugen jemals Nachkommen—doch dies scheint auch ihr einziges „Manko“ zu sein. Zufälligerweise findet sich eine Vielzahl an Arten, die Pikachu nachzuahmen scheinen, trotz geringer taxonomischer und geographischer Beziehungen. Es ist fast so, als ob irgendjemand versuchen würde, den Erfolg von Pikachu wiederholt nachzustellen, nur um jedes Mal aufs Neue daran zu scheitern. Plusle und Minun, häufige Pokémon in der Hoenn-Region, ähneln Pikachu beispielsweise oberflächlich, sind aber in Wahrheit schwächliche Wesen, die dem einheimischen Voltenso leicht zum Opfer fallen. Ebenso verhält es sich mit Pachirisu in der Sinnoh-Region und Emolga in der Einall-Region, die Pikachu auf den ersten Blick ähnlich sehen, aber sehr kurzlebig sind. Die Dedenne der Halbinsel Kalos und die Togedemaru des Alola-Archipels kommen am nächsten, doch auch sie verfehlen letzten Endes das Ziel—beide sind ihren heimischen Regionen speziell angepasst, und können außerhalb von ihnen nicht überleben. C'est la vie, wie man sagt. Vielleicht wird ja ein neuer aufkommender Forscher eines Tages den perfekten Pikachu-Imitator entdecken!


Bandelby Wommel Bibor

Bandelby, Wommel und Bibor

Aufgrund ihrer trügerisch bezaubernden Erscheinung würde der Durchschnitts-Alolaner niemals darauf kommen, dass ihr ikonisches, niedliches Insekt insgeheim parasitische Gewohnheiten pflegt. Mithilfe von abgesonderten Pheromonen spielen Wommel und Bandelby Bibor-Kolonien vor, von derselben Art zu sein (nicht aber Wadribie; Honweisel scheinen besonders geübt darin zu sein, Eindringlinge zu erkennen und auszulöschen). Nachdem Bandelby in den Bienenstock eingedrungen ist, stehen ihnen zwei Möglichkeiten offen—Honig zu stehlen oder Eier zu legen. In letzterem Szenario übernehmen die ahnungslosen Bibor anschließend die Aufzucht der jungen Wommel-Larven und versorgen sie mit Honig, nur um von hinten erdolcht zu werden, sobald die Parasiten aufgewachsen sind. Die jungen Wommel fressen in der Regel auch die Larven der Bibor-Kolonie—Hornliu—bevor sie dank der bereits erwähnten Pheromone praktisch unbemerkt entfliehen. Aufgrund der großen Beliebtheit und Verbreitung der Art in der Alola-Region erregte sie die Aufmerksamkeit von Züchtern, was vor vielen Jahren zu übermäßig großen Populationen von Wommel und Bandelby auf den Inseln Akala und Ula'ula, und infolge dessen zur nahezu vollständigen Auslöschung der Bibor-Kolonien, führte. Nur durch die Bemühungen der Æther Foundation konnte dieses Schicksal noch abgewendet werden. Doch auch heute stehen die Populationen von Wommel und Bibor in einem äußerst empfindlichen Gleichgewicht.


Ditto

Ditto

Es liegt nahe, diese Ausgabe von Pokémon-Biologie mit einem der wohl kuriosesten Fälle von Mimikry abzuschließen—Ditto. Im Gegensatz zu den obigen Beispielen von Baites'scher Mimikry, aggressiver Mimikry oder „Wolf-im-Schafspelz“-Mimikry sind Dittos Zellen so verformbar, dass es die genetische Struktur jedes gesichteten Pokémon kopieren kann. Wissenschaftler versuchen immer noch die Gründe für Dittos einzigartige Form von Mimikry nachzuvollziehen, und Experten debattieren tatsächlich tagtäglich über dieses Thema. Einige behaupten, Dittos Wandlungskunst diene zur Paarung mit anderen Pokémon-Arten, während für andere eher der Beutefang und die Nährstoffgewinnung im Zentrum der Anpassung steht. Wieder andere schlagen vor, dass Wandler einen Verteidigungsmechanismus darstelle, um potenziellen Räubern zu entgehen. Erst vor kurzem hat eine Forscherin, die nördlich von Blizzach stationiert war, sogar behauptet, dass Ditto ihre fehlenden Kollegen impersonifiziert habe. Während man nicht allzu viel Vertrauen in derlei Aussagen legen sollte, werfen sie doch die Frage auf, was denn der genaue Hintergrund für Dittos Wandlungsfähigkeiten sei. Vielleicht werden wir es nie erfahren...

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